Johann Adolf Hasse
Wolfgang Hochstein: JOHANN ADOLF HASSE - ein Bergedorfer schreibt Musikgeschichte
Seine Zeitgenossen waren sich einig: Joseph Haydn verehrte ihn als Vorbild, Wolfgang Amadeus Mozart wollte „unsterblich werden“ wie er, Jean-Jacques Rousseau pries das von ihm geleitete Dresdner Orchester als das beste in ganz Europa, und dem englischen Musikschriftsteller Charles Burney galt er als der bedeutendste aller damals lebenden Komponisten. Weltliche Herrscher wie Kaiserin Maria Theresia und Friedrich der Große suchten seine Gegenwart. Der Italiener Giovanni Battista Mancini hat jenes Wort vom „Padre della musica“ („Vater der Musik“) geprägt, das auch Leopold Mozart geläufig war. Später dann, rund 150 Jahre nach seinem Tod, sah es der Kulturphilosoph Romain Rolland als eine der größten Ungerechtigkeiten der Geschichte an, dass „dieser bewunderungswürdige Mann so vergessen werden konnte“.
Johann Adolf Hasse – und um diesen geht es – kam im März 1699 als Sohn des Organisten von St. Petri und Pauli in Bergedorf zur Welt und wurde am 25. des Monats getauft. Sein Geburtshaus ist das einzige erhaltene eines namhaften Hamburger Komponisten: Es steht noch heute neben der Kirche St. Petri und Pauli und beherbergt seit 1991 das Hasse-Archiv. Der im Volksmund als „Hasse-Turm“ bekannte runde Anbau stammt jedoch nicht aus Hasses Zeit, sondern erst aus dem 19. Jahrhundert.
Schon in Kindheit und Jugend wurde Hasse durch seinen Vater an die Musik herangeführt. Ab 1717 finden wir ihn in Hamburg, wo er zum Umfeld von Johann Mattheson gehörte und als Sänger in Oratorien und Opern auftrat. Nach kurzer Tätigkeit als Tenor am Hof zu Braunschweig-Wolfenbüttel ging Hasse Anfang der 1720er Jahre zur kompositorischen Weiterbildung nach Italien und wurde in Neapel einer der letzten Schüler von Alessandro Scarlatti. Bald machte er mit Opern und anderen Bühnenwerken in ganz Italien auf sich aufmerksam und lernte die Primadonna Faustina Bordoni kennen, die schon unter Händel in London Erfolge gefeiert hatte. Ihre Heirat im Jahre 1730 sollte die Hasses zum berühmtesten Musikerehepaar des 18. Jahrhunderts machen.
Ein umjubeltes gemeinsames Gastspiel am Hof zu Dresden im September 1731 brachte dem Komponisten die Ernennung zum königlich polnischen und kürfürstlich sächsischen Kapellmeister und seiner Frau die Anstellung als erste Sängerin bei Hofe ein; Johann Sebastian Bach hatte sich vergeblich um den vakanten Posten als Kapellmeister bemüht. Rund 30 Jahre lang dominierte Hasse das Musikleben am Dresdner Hof wie niemand vor oder nach ihm. Er komponierte mehr als 60 Opern, außerdem höfische Kantaten und Instrumentalwerke und hinterließ ein vielfältiges Schaffen im Bereich der Kirchenmusik (der sächsische Hof war seit der Konversion Augusts des Starken katholisch, und Hasse hatte bei seinem ersten Italien-Aufenthalt ebenfalls die Konfession gewechselt). Großzügige Arbeitsbedingungen und ein hohes Gehalt ermöglichten ihm zahlreiche Reisen, die den Komponisten nach Paris, Berlin, Warschau, München und Wien und immer wieder nach Italien führten. In Venedig hatte die Familie mit ihren drei Kindern seit 1735 einen zweiten Wohnsitz, und während der dortigen Aufenthalte schrieb Hasse Werke für eines der venezianischen Mädchenkonservatorien. Als das Dresdner Musikleben während und infolge des Siebenjährigen Krieges (1756–1763) zum Erliegen kam, ließen sich die Hasses im Umfeld des Hofes von Kaiserin Maria Theresia in Wien nieder, ehe sie 1773 endgültig nach Venedig übersiedelten. Hier starb Johann Adolf Hasse am 16. Dezember 1783 im hohen Alter von 84 Jahren.
Abgesehen von einigen geistlichen Kompositionen, die sich insbesondere im Repertoire der Dresdner Hofkirche gehalten haben, gerieten Hasses Werke bald in Vergessenheit: Seine Opern, in denen sich die höfische Welt des „Ancien régime“ spiegelt, galten im Zuge der gesellschaftlichen Veränderungen am Ende des 18. Jahrhunderts als nicht mehr zeitgemäß, und ebenso hatte das Kastratenwesen, dem Hasses Bühnenwerke ihr besonderes klangliches Kolorit verdanken, seinen Höhepunkt überschritten. Auch einige musikwissenschaftliche Publikationen aus dem frühen 20. Jahrhundert führten zu keiner wirklichen Hasse-Renaissance. Dies scheint sich aber in jüngerer Zeit zu ändern, betrachtet man jedenfalls die beträchtliche Zahl von neuen CD-Einspielungen und einschlägigen Publikationen als Indiz für das wiedererwachte Interesse an Hasses Schaffen. Und verdient hat es seine Musik allemal: Denn sie ist klangschön, eingängig und gefällig – dabei von hohem Anspruch insbesondere an die solistischen Gesangsstimmen – und steht paradigmatisch für den musikgeschichtlichen Wandel vom Barock zur Klassik.
In Bergedorf gibt es schon seit 1910 eine Hasse-Gesellschaft, die sich die Wiederbesinnung auf Hasses Musik zur besonderen Aufgabe gemacht hat. Zur Gesellschaft gehören das Hasse-Orchester und das erwähnte Hasse-Archiv. Und während das Orchester das das hiesige Kulturleben mit regelmäßigen klassischen Konzerten bereichert, wird im Archiv die wissenschaftliche Aufarbeitung von Hasses Schaffen vorangetrieben: Hier werden Noten ediert und Publikationen zum aktuellen Forschungsstand herausgegeben, so dass die Kompositionen des Bergedorfer Meisters einem immer größeren Kreis von Musikern und Musikfreunden zugänglich werden können.